Hamburger Morgenpost vom 03.12.07
Wunderbar
Das war ganz große Oper
„La Bohème“ im neuen Opernloft des Jungen Musiktheaters
Das ist der Stoff, aus dem die Tränen sind. Ein armer Schriftsteller verfeuert sein Manuskript, um sich zu wärmen. Im Rahmen der Reihe „Opera Breve – Oper in Kurz“ inszeniert Svenja Tiedt im Opernloft des Jungen Musiktheaters Puccinis „La Bohème“ in nur 90 Minuten. Aus den zehn Figuren des Originals werden fünf, das Orchester schrumpft auf drei Musiker zusammen, auf den Chor verzichtet man ganz.
Die Bühne mit den weißen Stellwänden und dem großen Klecks-Gemälde gewährt Einblick in Rodolfos (Wilhelm Adam) und Marcellos (Alexander Schattenberg) Künstlerbude. Zwei Hippies mit überschäumendem Idealismus, aber leerem Kühlschrank. Für die Liebe zu Mimì (Jennifer Rödel) und Musetta (Veronika Fried) fehlt jegliches Fundament.
Schattenbergs Bariton zeigt sich dennoch in fester, dynamisch mutiger Verfassung, während Adams Rodolfo ein tenoral ausgeklügeltes Wechselbad der Gefühle durchwatet. Musettas Schwäche für den Glanz des Geldes mag man bemängeln, doch am Glanz ihrer Stimme gibt es nichts zu tadeln. Geradezu herzzerreißend singt und spielt Rödel die scheue Mimì, deren vollmundiger Sopran sich selbst auf dem Sterbebett noch in goldleuchtende Höhen aufschwingt.
Enthusiastischer Applaus mit einer Träne im Auge auch für die makellose musikalische Begleitung von Markus Bruker (Klavier), Marina Kotelevskaya (Violine) und Elen Harutyunyan (Viola).